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Powerlifting in den Berufsalltag integrieren - whatever it takes?

Tobias Moertel
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Tobias Moertel

Powerlifting in den Berufsalltag integrieren

Andreas Jandorek aus dem DS Team macht seit sehr vielen Jahren Leistungssport. Er bestritt bereits über 10 internationale Wettkämpfe und stellte schon zahlreiche Rekorde im Powerlifting in Österreich auf. Dazu arbeitet er seit Jahren als Physiotherapeut und Personal Trainer bei Nejc Hojc. Mit etwa 60 Stunden Arbeit pro Woche ist es nicht leicht Powerlifting Training bzw. auch jeden anderen Leistungssport zu integrieren. Andreas kennt sich also aus, wenn es um Zeitmanagement geht. In diesem Artikel berichtet Andreas an seinem Beispiel, wie er es schafft beides zu kombinieren. Viel Spaß beim Artikel!

Whatever it takes?

Was bedeutet es in einem "normalen" Berufsalltag zu stehen und trotzdem Leistungssport zu betreiben? Worauf kommt es an beim Zeitmanagement und was gilt es zu beachten um die Qualität des Trainings, aber auch der Erholung möglichst hoch zu halten? Wie integriert man Powerlifting in den Berufsalltag?Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig folgende Komponenten optimal aufeinander abzustimmen:

  1. Situationsangepasste Trainingsplanung
  2. Erweiterung des Horizonts
  3. Planung und Vorbereitung der schweren Trainingseinheiten
  4. Integration einer angepassten Ernährung
  5. Familie und soziale Kontakte
  6. Selbstreflexion und Achtsamkeit
  7. Give something back
  8. Zeitmanagement

1. Situationsangepasste Trainingsplanung

Viele Jahre beschäftigte ich mich mit den unterschiedlichsten Plänen, die sich nach genauen Prozenten richten und war ein großer Fan davon, dass ich 10 Wochen im Voraus wusste welche Gewichte und Wiederholungen auf mich zukommen. Doch je älter ich wurde, desto mehr stiegen die alltäglichen Anforderungen an meinen Körper und meinen Geist, wodurch es unmöglich wurde an jedem Tag gleich gut drauf zu sein. Als Einzelperson fehlt einem meist der Abstand gewisse Trainingsparameter objektiv zu beurteilen und emotionslos darauf zu reagieren.Als ich das erkannte, entschied ich mich für diverse Coachings von namhaften Trainern! Aktuell befinde ich mich in den Händen von Markus Supanetz von Supakraft. Doch auch hier ist es essentiell eine möglichst gute Compliance anzustreben, um die jeweiligen Situationen bestmöglich einzuschätzen. Der Coach muss wissen welche Umstände welchen Einfluss auf seinen Athleten haben. So kann ein schlafloses Wochenende für manche Leute einen Leistungsabfall von 20 Prozent über eine Woche bedeuten, während andere dies fast unbeschadet überstehen. Es ist ein fortwährender Prozess für den Coach und den Klienten die Einflüsse möglichst objektiv zu analysieren und je nach Situation angemessen zu reagieren.

2. Erweiterung des Horizonts

In den 13 Jahren in denen ich Powerlifting betreibe, haben sich viele Dinge und Sichtweisen geändert. Durch das Lesen vieler Artikel und Diskussionen auf Social Media, WhatsApp und vielen Wettkämpfen und Trainingslagern, sowie eine konstruktive Zusammenarbeit mit meinen Coaches. konnte ich gewisse veraltete Denkstrukturen immer wieder durchbrechen. Es muss natürlich nicht alles angenommen werden, was überall verbreitet wird. Aus meiner Sicht ist es jedoch essentiell neue Sichtweisen zuzulassen und diese ernsthaft zu analysieren und zu überlegen: Was kann ich für mich persönlich mitnehmen?Wissenserwerb bedeutet immer Eigenverantwortung und sollte niemals an den Coach/Mediziner/Lifestyle Berater oder andere Kompetenzen abgegeben werden. Eine Unterstützung und Führung durch ausgebildetes Personal ist jedoch mehr als sinnvoll. Im Grunde sollte dies ein Trainingsartikel sein, doch auch im sonstigen Leben ist es stets wichtig seinen Horizont zu erweitern. Man wird durch eine offene Sichtweise insgesamt ein weitsichtigerer Mensch, was auch im Trainingsprozess weiterhelfen kann.

3. Planung und Vorbereitung von schweren Trainingseinheiten

Im Laufe der Zeit hat sich meine Einstellung in Bezug auf schwere Trainingseinheiten grundlegend geändert. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu starken Formschwankungen und kleineren und größeren Wehwehchen bei so manchem Training. Inzwischen weiß ich sehr genau, welche Interventionen nötig sind, um eine erfolgreiche schwere Einheit zu absolvieren. Diese Punkte beachte ich vor schweren Einheiten:

  • Am Vorabend mindestens 9 Stunden Schlaf und keine alkoholischen Getränke
  • Gedankliche Vorbereitung bereits am Vorabend
  • 2-3 Stunden wach und aktiv sein vor dem Training
  • Rehaübungen gleich nach dem Aufstehen
  • Nährstoffreiches Essen 1 bis 2 Stunden vor dem Training
  • Optimales (individuelles) Warm Up vor dem Training

Natürlich braucht so eine Vorbereitung auch Zeit und ist für mich deshalb nur am Mittwoch, Samstag und Sonntag möglich. Wie sich das genau in den Wochenplan integrieren lässt, werdet ihr noch konkret im Punkt: „Zeitmanagement „ sehen.

4. Integration einer angepassten Ernährung

Das Thema Ernährung ist bei vielen Kraftsportlern ein zweischneidiges Schwert. Während man die einen ständig mit einer Tupperdose im Gepäck antrifft, sehen die anderen den Hauptunterschied zwischen Powerlifter und Bodybuilder, dass der Powerlifter alles essen kann und soll was im in den Weg kommt. Im Grunde soll jeder den Approach verfolgen, der für ihn am Besten funktioniert. Ich bin sicher nicht das Paradebeispiel für eine optimale Ernährung, dennoch versuche ich gewisse Grundregeln zu befolgen:Ernährung:

  • Durschnittlich 180 g Eiweiß pro Tag
  • Täglich 3 bis 5 Portionen Obst oder Gemüse
  • 25.000 kcal pro Woche nicht unterschreiten
  • Meistens unverarbeitete Lebensmittel

Supplemente täglich:

  • Zink, Mulitvitaminpräparat, MSM, Creatin (2 g Offseason)

Um diese Punkte zu integrieren bedarf es in meinem Fall aber einer sehr guten Zeitplanung, sowie der Mithilfe meiner Mutter, die stets mein Essen vorbereitet - Danke dafür! :)Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag habe ich tagsüber insgesamt nur 10 Minuten für das Essen eingeplant. Somit ist es notwendig beim Frühstück ordentlich reinzuhauen und teilweise die Zug- und Autofahrten gut auszunutzen. Aber insgesamt komme ich selten über 2500 Kalorien. Mir ist es sehr wichtig, dass ich mich am Abend nicht überfresse. Bei zu viel Essen am Abend merke ich doch deutlich, dass die Schlafqualität darunter leidet. Das Kaloriendefizit muss dann am Mittwoch, Samstag und Sonntag ausgeglichen werden. An diesen Tagen habe ich dann auch endlich genug Zeit volumenreichere und gesündere Nahrung aufzunehmen. Somit kann ich sowohl das Defizit der Makronährstoffe, als auch der Mikronährstoffe zumindest etwas aufholen.

5. Familie und soziale Kontakte

Es ist für jeden klar, dass diese Dinge zu einem gesunden Sozialleben dazu gehören. Doch warum ist das so wichtig für den Trainingsprozess?Immer wenn sich Leute voll für eine Sache opfern und es dort super läuft, fühlt man sich bestätigt und verrennt sich immer mehr in dieses Thema und vernachlässigt gerne andere Dinge im Leben. Freunde und Familie können dann gerne mal zurück gestellt werden. Doch es wird immer wieder der Punkt kommen, wo der Hauptlebensinhalt ins Wanken gerät. Gerade dann ist es sehr wichtig auch andere bedeutungsvolle Themen im Leben zu haben. Freunde und Familie sind also nicht nur zum Abschalten da, sondern sollten stets einen wichtigen Beitrag für ein erfülltes Leben bieten.In guten Phasen sollte man immer wieder versuchen das "Beziehungskonto" aufzustocken um in schlechten Phasen auf die Hilfe anderer zählen zu können. In der Praxis muss sich ein Leistungssportler aber auch immer wieder von gewissen Leuten aus seinem Umfeld trennen und sich gut überlegen: Welche Leute passen in mein Leben und welche hindern mich daran ein besserer Sportler und Mensch zu werden?Aufgrund der Zeitknappheit eines Leistungssportlers ist es essentiell sein Umfeld mit Bedacht zu wählen und stets auf eine langfristige Win-Win Zusammenarbeit zu plädieren. Dabei ist gegenseitiges Verständnis der Situation sehr wichtig. Während andere Leute verstehen müssen, dass ein optimaler Lifestyle das A und O für ein erfolgreiches Powerlifter-Dasein ist, muss der Leistungssportler verstehen, dass er auch mal seine Zeit für Andere opfern muss. Leider fällt es auch mir sehr schwer hier immer die richtige Balance zu finden, aber das Bewusstmachen des „Geben und Nehmen“ Grundsatzes hilft mir die richtigen Prioritäten zu setzen.

6. Selbstreflexion und Achtsamkeit

Das sind sehr wichtige und aktuell relevante Schwerpunkte in der heutigen hektischen Gesellschaft. Es gibt genügend Bücher und interessante Autoren, die diese Themen sehr gut beschreiben. In der Praxis versuche ich immer wieder Zeit zu finden in mich zu gehen und einfach nur da zu sein und zu genießen. Andererseits ist es gerade im Trainingsprozess, aber auch im sonstigen Leben, sehr wichtig seine Motive zu analysieren und zu überlegen ob Denken und Handeln immer noch zielorientiert sind. Ich versuche sehr oft alle möglichen Dinge im Leben und Training zu reflektieren und neue Impulse zu setzen.Gerade in Bezug auf meine Hauptprobleme: „Mit dem Kopf durch die Wand“ und „Zum Abschalten muss man saufen und Party machen" hat mir diese Selbstreflexion sehr viel geholfen eine etwas „gesündere“ Einstellung zu bekommen.

7. Give something back

Wie bereits im Punkt „Freunde und soziale Kontakte“ erwähnt, besteht das Leben immer aus Geben und Nehmen. Ich war jahrelang Kunstturner und bin jetzt seit 13 Jahren Powerlifter. Diese beiden Sportarten haben mich wesentlich geprägt und ich bin sehr dankbar was ich auf allen Ebenen lernen konnte. Ich sehe es als meine Pflicht an diesen Sportarten etwas zurückzugeben.So investiere ich doch viele ehrenamtliche Stunden, in denen ich versuche Kindern und Jugendlichen zu helfen, die Faszination des Turnens zu entdecken. Im Powerlifting biete ich einigen Leuten mit meinem Keller eine Plattform diesen Sport möglichst professionell auszuleben. Außerdem versuche ich immer wieder mein Wissen und meine Ansichten an Neueinsteiger und Fortgeschrittene zu vermitteln. Während ich den Anfängern einen Weg vorgeben kann, kommt es bei Fortgeschrittenen zu einem konstruktiven Austausch, von dem beide Seiten profitieren.

8. Zeitmanagement

Wie ihr gesehen habt, ist es für mich sehr wichtig viele Dinge in sein Leben zu integrieren, um ein nachhaltiges und erfolgreiches Sportler Dasein zu führen. Jetzt kommt sicher der schwierigste Punkt - Das Zeitmanagement:Die häufigste Ausrede für eine geringe Trainingsfreqenz oder gar kein Training ist die fehlende Zeit. Doch, wenn wir unsere Zeiteinteilung auf Effektivität überprüfen, erkennen wir meist, dass es durchaus möglich ist, die ein oder andere Trainingseinheit zu integrieren. Wie in vielen Dingen im Leben, ist es nur eine Frage der Prioritätensetzung. Doch dafür ist jeder selbst verantwortlich. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig ein strukturiertes Leben zu führen und alle Inhalte die in meinem Leben eine wichtige Rolle spielen, optimal zu integrieren. An dieser Stelle möchte ich euch meinen Wochenplan vorstellen. Jeder von euch kann sich ein bis zwei Stunden Zeit nehmen und sich eigene Gedanken über den eigenen Wochenplan, das eigene Zeitmanagement machen. Mein Wochenplan dient lediglich als Beispiel.Montag, Donnerstag6:00-6:30 Frühstück und Rehaübungen (5min)6:30 -8:00 Fahrt zur Arbeit25 min Rad fahrenIm Zug: Online Coaching Aufgaben, Social Media, Lesen/Lernen/Achtsamkeit8:00-15:00 Arbeit als Personal Trainer/Sportphysiotherapeut15:00-16:00 Powerlifting, Essen, Duschen16:00-21:00 Arbeit als Personal Trainer/Sportphysiotherapeut21:00-22:00 Fahrt nach Hause22:00-22:30 Essen, Rehaübungen22:30 – 7:00 Relaxen, SchlafenDienstag, Freitag7:00-7:30 Frühstück und Rehaübungen (5min)7:30 -9:00 Fahrt zur Arbeit25 min Rad fahrenIm Zug: Online Coaching Aufgaben, Social Media, Lesen/Lernen/Achtsamkeit9:00-15:00 Arbeit als Personal Trainer/Sportphysiotherapeut15:00-16:00 Powerlifting, Essen, Duschen16:00-21:00 Arbeit als Personal Trainer/Sportphysiotherapeut21:00-22:00 Fahrt nach Hause22:00-22:30 Essen, Rehaübungen,22:30 – 7:00 Relaxen, SchlafenMittwoch (Heimtag)7:00-7:30 Frühstück und Rehaübungen (5min)7:30-9:00 Büro/Weiterbildung, Rehaübungen9:00-10:45 Physiokunden10:45-12:30 Powerlifting12:30-13:00 Essen13:00-14:30 Büro/Weiterbildung, Rehaübungen14:30-19:30 Training mit den Kids (Turnen)19:30-20:00 EssenAb 21:00 SchlafenSamstag8:00-10:00 Büro/Weiterbildung, Rehaübungen10:00-12:00 Powerliftingtraining mit Freunden (Verein)12:00-15:30 Freizeit/Reha/Projekte/Weiterbildung/Achtsamkeit/Selbstreflexion16:00-19:00 Training mit den Kids (Turnen)19:00-20:00 Essen/RehaübungenAb 20:00 Schlaf aufholen bei Müdigkeit oder Pflegen sozialer Kontakte (alkoholfrei :) )Sonntag8:00-10:00 Büro/Weiterbildung/Rehaübungen10:00-12:00 Powerliftingtraining mit Freunden (Verein)12:00-12:45 EisbadenDer Nachmittag ist frei bzw. für bestimmte Unternehmungen mit Freunden/Familie und/oder Projekte vorgesehen.Dazu sind 20 bis 25 Wochenenden pro Jahr sind für Wettkämpfe und Firmenveranstaltungen reserviert. Dieser Zeitplan sollte für niemand zum Vorbild genommen werden. Er kann aber zeigen, dass man durch gutes Zeitmanagement einiges in einer Woche schaffen kann.

Abschließende Worte

Ich hoffe ihr konntet einen Eindruck erhalten was es bedeutet Leistungssport in sein tägliches Leben bzw. in seinen Berufsalltag zu integrieren. Vor allem wenn man, so wie die meisten Sportler, im Amateurbereich tätig ist. Es müssen durchaus einige Opfer gebracht werden, um am Ende das Beste aus sich herauszuholen.Aus eigener Erfahrung muss ich jedoch sagen: Jede investierte Minute zahlt sich aus. Man verbessert sich nicht nur in seinem Sport sondern lernt viele wertvolle Dinge für sein tägliches Leben und formt seinen Charakter nachhaltig. Am Ende hat jeder unterschiedliche Ziele in seinem Leben. Mein Hauptziel ist es stets mein bestmögliches Selbst zu sein. Da ich im Powerlifting durchaus ein bisschen Talent habe, kann ich diesen Anspruch hier besonders gut verwirklichen. In vielen anderen Bereichen des Lebens wurden meine Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht zu meinem Vorteil verteilt, aber auch hier sehe ich es als wichtig an, das Beste aus der jeweiligen Situation herauszuholen.Vielen Dank fürs Lesen,Andreas[Autor: Andreas Jandorek]

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