Ein weiteres Thema, welches mir vor allem in Bezug auf Anfänger sehr am Herzen liegt: Das Denken in Gewichtsklassen in unserem Sport. Warum das nicht immer gut ist und warum es unsere Wahrnehmung verzerrt, werde ich hierbei weiter ausführen.Um das Denken zu verstehen, muss man einfach einen Schritt zurücktreten. Mehr Abstand führt im Allgemeinen zu einem besseren Verständnis. In dem Fall stellt man sich vor, es gäbe noch keine Gewichtsklassen und es wird nur in Relativpunkten gemessen.Ich kann euch eine Sache verraten: Die Leute würden nicht alle 74, 83 oder 93 kg wiegen. Man spricht oft davon, dass Gewichtsklassen eigentlich Größenklassen sind. Einer mit 165 cm würde dann eventuell 80 kg wiegen, einer mit 170 cm 85 kg oder einer mit 172 cm 87 kg usw. Natürlich nur bei ähnlicher Statur, aber es gäbe mehr Variation im Körpergewicht.
Welchen Bezug hat man eigentlich zum Körpergewicht und warum sollte man mehr oder weniger wiegen?
Wenn man einen ausgereiften Athleten beobachtet, will man wissen bei welchem Körpergewicht die Leistung im Verhältnis die beste ist. Dies ist entscheidend für die Wahl der Gewichtsklasse. Das Thema in diesem Artikel soll aber der einsteigende Athlet sein. Hier stellt sich die Frage, warum man überhaupt sein Körpergewicht verändern sollte und welche Rolle die jeweilige Gewichtsklasse dabei spielt.Wenn man davon ausgeht, dass ein Anfänger zuvor auch kein Bodybuilding betrieben hat oder zumindest nicht sonderlich erfolgreich damit war, dann möchte man die Ziele aus dem Bodybuilding erreichen. Es soll möglichst viel fettfreie Muskulatur aufgebaut werden und dazu muss zugenommen werden.
- Die Gründe, weswegen in Gewichtsklassen unterschieden wird: Ein größerer Athlet hat im Regelfall eine höhere Maximalkraft, als ein kleiner Athlet mit derselben Statur. Der größere Athlet ist aber auch schwerer, also mindestens eine Gewichtsklasse höher.
- Zwei gleich große Athleten besitzen unterschiedliche Mengen an Muskelmasse. Athlet A ist bei 170 cm Körpergröße 74 kg schwer. Athlet B ist bei gleicher Körpergröße 83 kg schwer. Athlet B hat somit ein größeres Kraftpotential und ist zurecht nicht in derselben Gewichtsklasse. Athlet A muss sich aber eventuell mit Athleten messen, die kleiner sind als er, dadurch auch stärker sein können.
Wenn es keine Gewichtsklassen gibt, wie viel sollte man dann wiegen?
Im Prinzip müssten vor allem RAW Powerlifter ähnlich trainieren wie es Bodybuilding Coaches empfehlen. Vor allem wenn man ohne "Hilfsmittel" trainiert. Man nimmt solange langsam zu, bis der Körperfettgehalt zu hoch wird. Anschließend schiebt man wieder eine kleine Diät ein.Die Verzerrung findet insofern statt, dass Anfänger bis leicht fortgeschrittene Heber ihr optimales Körpergewicht zufällig am Ende einer Klasse finden und von dort an möchte man lieber nicht mehr zunehmen. Trotzdem möchte man an Wettkämpfen teilnehmen, was sehr sinnvoll ist um Erfahrung zu sammeln. Aber wahrscheinlich ist häufig der Gedanke, dass man maximal wettbewerbsfähig sein sollte. Beispielsweise möchte man mit 85 kg nicht in der 93 kg Klasse antreten. Die anderen Athleten in der Klasse sind dann alle viel stärker. Das sorgt dafür, dass man sich einredet seine Klasse gefunden zu haben.
Seine Klasse findet man aber in einem ganz anderen Schema, welches durch den Graphen verdeutlicht wird. Dieser basiert auf den Vorgaben, dass man 1% seines Körpergewicht pro Monat zunimmt und dabei möglichst fettfrei Muskelmasse aufbaut. Wenn man nach einigen Monaten Aufbau in eine Diätphase übergeht, soll man in der Diät mit 2-4 % Gewichtsverlust pro Monat rechnen - im Fall der Grafik mit 3 %. Man geht dabei oft von einer maximalen Aufbaurate von 1 % pro Monat und einem maximalen Gewichtsverlust von 4 % aus, was das anzustrebende Maximum sein kann. Im Powerlifting macht es Sinn, sich an den maximalen 1 % zu orientieren. Beim Abnehmen hingegen sollte man bewusst nur 3 % ansetzen, was in dem Beispiel etwa einem Defizit von knapp über 500 kcal pro Tag entspricht. Das ist für die meisten Powerlifter ausreichend.Bei dem beispielhaften Athleten, führt dies zu ca. 2 Monaten Diät pro Jahr. In der restlichen Zeit befinden er sich im Überschuss, was dem Kraftaufbau sehr zuträglich ist. Dies ist aber auch stark vereinfacht, was heißt: Übergangszeiten von Überschuss zu Defizit sind nicht eingerechnet. Auch die Gewichtsschwankungen durch Nahrungsmittel im Magen-Darm-Trakt, die man aufgrund von unterschiedlich viel Essensmenge hat, sind hier nicht aufgeführt. Es würde das Beispiel nur unnötig verkomplizieren und so versteht man das Prinzip dahinter viel einfacher.
Muskelaufbau benötigt Zeit
Der Aufbau von Muskeln dauert wesentlich länger als es Zeit benötigt Fett zu verlieren. Dem sollte man sich immer bewusst sein. Folglich muss man seltener diäten.
Wie ist das dann mit den Gewichtsklassen?
Ziel ist es langfristig zu denken. Je weniger man sich zu Anfang an den Gewichtsklassen orientiert, desto besser kann man sich entwickeln. Wenn man zum Beispiel als Mann irgendwann mit wenig Körperfett bei 90 kg landet und nicht mehr weiterkommt ohne extrem viel Fett zuzunehmen, dann hat man seine Klasse gefunden. Auch falls man den Rest der Klasse mit Fett auffüllen müsste, wäre man wohl in der 93 kg Klasse besser aufgehoben als in der 83 kg Klasse. Dabei muss man aber bedenken, dass bis dahin viele Jahre vergehen, da der Prozess viel Zeit benötigt.In dem Beispiel aus Abbildung 1 wiegt der Athlet beim Start seiner Karriere 70 kg. Er nimmt von Januar bis November (ca. 10 Monate) zu und wiegt nach dem längeren Bulk nun 77,3 kg. Anschließend diätet er zwei Monate und wiegt danach noch 72,7 kg. Im Optimalfall bei ähnlichem Körperfettgehalt wie damals bei 70 kg. Nach der Diät folgt bei ihm wieder eine Aufbauphase. 10 Monate später wiegt er 80,37 kg, wonach er wieder diäten könnte. Der Athlet würde immer mehr in Richtung 83 kg Klasse tendieren und auch wenn er teils temporär noch unter 74 kg ist, kann man absehen, dass das nicht seine Klasse sein wird. Jetzt würde er beispielsweise bei der Deutschen Meisterschaft noch unter 74 kg antreten, bei der Landesmeisterschaft des Folgejahres aber -83 kg.
Kurzfristiges vs. langfristiges Denken
Er sollte nicht anfangen sein Körpergewicht zu manipulieren, denn er möchte primär Erfahrung sammeln und sicher auf der Plattform agieren. Man könnte im Beispiel die DM mit einem kleineren Wettkampf austauschen, der für ihn in dem Fall eventuell sinnvoller wäre. Jedoch geht es nur um die Veranschaulichung und die zeitlichen Abstände.
Worum es eigentlich geht...
Die Gewichtsklasse sollte erstmal nicht relevant sein. Es geht darum Muskeln aufzubauen, denn die besten Athleten sind meist überdurchschnittlich muskulös, was man sich zum persönlichen Ziel setzen sollte. Die Gewichtsklasse ist am Ende nur ein Detail. Bevor man national keine Rekorde machen kann oder Chancen auf den Sieg hat, sollte man sich nicht um die Gewichtsklasse kümmern.Falls man die Jahre an Arbeit reingesteckt hat, die größte Gewichtszunahme abgehakt hat und nicht mithalten kann (was sehr viele Leute betreffen wird, da Talent in dem Sport sehr entscheidend ist), dann muss man natürlich auch seine Gewichtsklasse finden und dort möglichst viel Leistung bringen. Relativpunkte sind nur eine sekundäre Art der Wertung in dem Sport. Primär zählt das höchste Total in der Klasse. Die freie Wahl der Gewichtsklasse steht auch jedem zu, egal ob Elite oder nicht. Sei es auch "nur" das qualifizierendes Total für eine deutsche Meisterschaft.
Einfache Eckpunkte für einen erfolgreichen Gewichtsverlauf
Diese Richtlinien von Eric Helmes, Andy Morgan und viele andere erfahrene Coaches geben auch wir unseren Athleten vor:
- Falls du dir nicht sicher bist, ob die Kalorien so passen, dann warte mindestens zwei Wochen bis du Anpassungen triffst.
- Eine Diät sollte maximal zwölf Wochen dauern.
- Jede fünfte Woche könnte man eine Woche Erhaltungskalorien nehmen, damit die Hormonlevel stabil bleiben.
- Ansonsten könnt ihr euch noch die Empfehlungen für die Zu- und Abnahme zu Herzen nehmen. Zunehmen ca. 1 % des Körpergewichts pro Monat und Abnehmen 2-4 % pro Monat. Für Powerlifter empfehlen wir die Zunahme am Maximum, die Abnahme aber eher weniger, da sonst das intensive Training sehr stark leiden kann. 3 % pro Monat kann für viele Athleten ganz gut funktionieren.
Zusammenfassend
Mach dir erst Gedanken um deine Gewichtsklasse, wenn es zwingend sein muss! Genieße die Zeit, in der du einfach ohne zu viel Druck trainieren und antreten kannst. Der Druck kann einem vor allem zu Anfang den Spaß am Sport nehmen. Werde also erstmal einfach stark :)